Interview mit Daniel Zenger, Wanderleiter mit eidg. Fachausweis
berg-welt: «Daniel, du bist u.a. ausgebildeter Wanderleiter. Seit 2018 leitest du bei berg-welt verschiedene Schneeschuh- und Wanderreisen. Was gefällt dir besonders gut an der Reiseleitung?»
Daniel Zenger: «Mich fasziniert der unermessliche Reichtum, welcher uns die Natur schenkt und ich liebe es, draussen unterwegs zu sein und immer wieder etwas Neues zu entdecken. Diese Eindrücke und Entdeckungen mit meinen Gästen zu teilen, gefällt mir besonders gut und ist auch immer wieder eine Herausforderung.»
«Welche berg-welt-Ausland-Reise hat dich in den vergangen drei Jahren am meisten begeistert und warum?»
«Ganz klar Teneriffa! Diese Insel im Atlantik wird vom Teide dominiert, einem ruhenden Vulkan, der zugleich Spaniens höchster Gipfel ist. Einfach unglaublich spektakulär, wenn die Sonne in der mond-ähnlichen und farbigen Vulkanlandschaft aufgeht! Teneriffa wird zu Recht «Kontinent im Kleinen» genannt. Auf engstem Raum konzentriert sich hier eine botanische Vielfalt. Hier finden sich Vertreter fast aller Vegetationszonen der Welt.»
«Die letzten drei Monate warst du, corona-bedingt zum Teil in Kleinstgruppen, mit unseren Gästen in den Schweizer Alpen auf Schneeschuhen unterwegs. Wie hast du diese Touren erlebt?»
«Für mich war diese Situation sehr lehrreich und spannend. In kleineren Gruppen ist man dem Gast näher und man wird auf persönlicher Ebene mehr gefordert. Für die Gäste war es betreffend Führung sicher ein Vorteil, denn ich konnte mich den Bedürfnissen jedes Einzelnen besser anpassen. Was fehlte, war das gesellschaftliche Beisammensein. Ich habe jedoch deutlich gespürt, dass die Gäste dankbar waren, trotz der aktuellen Lage draussen in der Natur unterwegs zu sein.»
«Als wir letzten Frühling im Leiter-Team nach Alternativ-Wander-Angeboten in der Schweiz gesucht haben, hast du als leidenschaftlicher Wildkräuter-Experte eine 4tägige Wandertour vom Söreberg nach Habkern vorgeschlagen. Worin liegt die besondere Faszination der Wildkräuter für dich?»
«Die unglaubliche Vielfalt und der Reichtum an Wildkräutern, die uns die Natur schenkt, beeindrucken mich. Essbare Kräuter wachsen überall in grossen Mengen: Am Weg- und Strassenrand, auf Wiesen, Äckern, Schutthalden, im Wald oder an See- und Bachufern. Sie benötigen keine Pflanzenpflege oder Pflanzenschutzmittel, sondern sind immer kräftig, weisen kaum Schädlinge auf und müssen nur geerntet werden.
Ich sammle bereits ab März frische Kräuter, wenn in den kultivierten Gärten und Feldern noch keine Ernte in Sicht ist. Zum Glück sind die meisten essbaren Wildpflanzen sogenanntes Unkraut und können bedenkenlos gesammelt werden. Ein grosser Teil meiner Nahrung kommt aus der Natur, da Wildkräuter neben vielen Nährwerten und Vitaminen auch eine heilende Wirkung mit sich bringen.
Die Region Entlebuch/Habkern habe ich gewählt, weil ich dort noch frische, unbehandelte und pestizidfreie Kräuter finde. Die Wildpflanzen sind ein natürlicher Schatz, den es zu erkennen gilt. Sie sind eine der Grundlagen des Ökosystems. Alle unsere Kulturpflanzen stammen von ihnen ab: Deshalb sind die Wildpflanzen so wertvoll!»
«Was bedeutet für dich Wahrnehmung und Achtsamkeit in der Natur auf unseren Reisen?»
«Wir Erwachsenen haben verlernt, Dinge wahrzunehmen, und schauen gar nicht mehr richtig hin. Wir sollten erneut lernen, wie ein Kind zu sehen. Oftmals haben meine Gäste Dinge, die ich ihnen zeige, nie bewusst wahrgenommen. Ausserdem möchte ich den Menschen mehr Achtsamkeit hinsichtlich des Schutzes von Wildkräutern mit auf den Weg geben. Wo nur noch wenige Wildkräuter wachsen, sollen diese nicht gesammelt werden. Es gilt, hier die einzelnen Wurzeln zu schonen und die Vielfalt zu nutzen.»
«Wie reagieren deine Gäste auf die Vielfalt der Natur, die du ihnen zeigst?»
«Nach den Wanderungen sehen die Menschen die Natur mit völlig neuen Augen. Plötzlich ist alles essbar, verwertbar und wertvoll. Unkraut wird von einer lästigen Plage zum Genuss.»
«Lieber Daniel, vielen Dank für deinen unermüdlichen Einsatz zum Wohl unserer Gäste und weiterhin viel Freude an deinem Beruf!»
Steffisburg, im April 2021